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Prix d´Amérique 2022 – ohne Face Time Bourbon, aber mit großer Spannung!

„Il sort par par la grande port“, so Eric Raffin zum möglichen Karriereende von Champion Face Time Bourbon. Wenige Tage vor dem großen Spektakel, dem Highlight des Trabrennjahres ist es diese bittere Nachricht, die alle Traberfans schockiert. Nicht nur den Prix d´Amérique wird Face Time Bourbon verletzungsbedingt verpassen, es ist inzwischen ausgeschlossen, dass der große Stern des Trabrennsports seine Karriere fortsetzen kann. „Mit einem großen Knall tritt er ab“, so kann man die Worte seines Fahrers übersetzen und er hat recht. Die Nachricht erreichte uns fünf Tage vor dem Prix d´Amérique, den Face Time Bourbon 2020 und 2021 dominierte und der erneut seine große Bühne werden sollte.  Zwischen 1986 und 1988 gelang zuletzt einem Traber, dreimal in Folge das bedeutendste Trabrennen der Welt zu gewinnen, es war das Ausnahmepferd Ourasi. Als großer Favorit gehandelt waren sich alle Experten sicher: In diese Fußstapfen wird Face Time Bourbon in ein paar Tagen treten! Doch es kam anders. Wir wollen nicht verbergen: Der Schock sitzt tief! Und er dämpft die Vorfreude auf den kommenden Sonntag, wenn um 16:20 Uhr in Paris-Vincennes der 101. Prix d´Amérique gestartet wird.

Der Prix d´Amérique ist mit einer Million Euro dotiert und gilt als Weltmeisterschaft des Trabrennsports. Es gibt keinen Traberfan, dem dieses Ereignis unbekannt ist – jeder fiebert mit! Seit 1920 wird er am letzten Januar-Sonntag im Hippodrome de Vincennes ausgetragen und die Distanz, die alle Pferde bewältigen müssen, ist 2700 Meter. Neben dem Prix de L´Arc de Triomphe, dem bedeutendsten Galopprennen der Welt, ist der Prix d´Amérique DAS Saisonhighlight im französischen Pferderennsport.

Nicht nur sportlich gesehen ist der Prix d´Amérique ein absoluter Leckerbissen, auch Wettfreunde kommen auf ihre Kosten. Der Jackpot der Quinté-Wette ist mit drei Millionen Euro gefüllt! 

Die nächste gute Nachricht: der Prix d´Amérique ist spannend wie nie! Nach dem Ausscheiden des großen Favoriten stehen den 18 Teilnehmern alle Türen offen. Und Pferde, die bislang nicht groß in Erscheinung getreten sind, haben plötzlich die Möglichkeit einen Prix d´Amérique zu gewinnen. Welche Pferde sind es, deren große Stunde nun schlagen könnte? Wir stellen alle Teilnehmer vor und teilen unsere Einschätzungen.

Davidson du Pont war der große Widersacher von Face Time Bourbon im letzten Prix d´Amérique – 3,7:1 lautete seine Siegquote, während Face Time Bourbon für 1,9:1 an den Start ging. Und die Wetter lagen richtig! Es waren genau diese beiden, die das Rennen unter sich ausmachten. Sie lieferten sich ein spannendes Duell, welches noch lange in Erinnerung blieb. Ist der Weg frei nach dem Ausfall von Face Time Bourbon? Vor zwei Wochen hätten wir es verneint, doch Davidson du Pont scheint noch rechtzeitig in Höchstform zu gelangen. Beweis dafür lieferte eine große Leistung im Prix de Belgique: Streng genommen war es das erste Ausrufezeichen, dass Davidson Du Pont seit dem Prix d´Amérique 2021 setzte – alle Rennen, die er in der Zwischenzeit absolvierte, entsprachen nicht seinen Möglichkeiten. Nun zum Prix de Belgique: Nach mäßigem Start, rückten Davidson du Pont und Nicolas Bazire früh auf und eroberten die Spitze. Es folgte eine Rochade mit Stallgefährte Zacon Gio und so ging er mit der Führung in den letzten Bogen und auch auf die Zielgerade. Davidson du Pont löste sich, erst von Délia du Pommereux und schließlich vom letzten Verfolger Feydeau Seven. Ein großer Sieg, vor allem für Nicolas Bazire, dem Sohn des großen Jean-Michel Bazire, war in greifbarer Nähe, eigentlich schon eingetütet, als Davidson kurz vorm Ziel sein Geläuf verlor und galoppierte. „Coup de théatre!“ Sagen die Franzosen dazu. Ja, das war ärgerlich und wohl der Unerfahrenheit des jungen Fahrers zuzuschreiben. Nun hat er die Chance, diesen Fehler auszubügeln und den größten Triumph seiner Karriere zu feiern. Davidson du Pont ist unser Favorit, er hat die nötige Klasse, ist geschont und rechtzeitig in Topform! „Le cheval est prêt“, sagt Nicolas Bazire – übersetzt: Davidson du Pont ist bereit!

Etonnant ist plötzlich Favorit im Prix d´Amérique 2022 – unvorstellbar noch vor wenigen Wochen! Dann kam der Prix de Bretagne und der Prix du Bourbonnais: Im „Bretagne“ noch zweitplatziert hinter Face Time Bourbon, schlug er den großen Favoriten wenig später im „Bourbonnais“ – das gelang nicht vielen Pferden! Allein in diesen drei Wochen hat Etonnant große Qualität unter Beweis gestellt und Trainer Richard Westerink hat – nach Timoko – erneut einen möglichen Prix d´Amérique im Stall. Der Timoko-Sohn Etonnant wird im Alter immer stärker und hat sich vom Trabreitspezialisten zum Prix d´Amérique-Favoriten vorgekämpft. Eine erstaunliche Karriere, dennoch schätzen wir Davidson du Pont stärker ein – für uns gewinnt Etonnant nicht!

Gu d´Héripré erreichte Platz Drei im Prix d´Amérique 2021 – gerade erst fünfjährig eine erstaunliche Leistung! Er ist eines der größten Talente im Trabrennsport, denn er bringt alles mit, um zu den ganz Großen zu zählen. Er ist unheimlich schnell, Eisenhart und voller Ausdauer. Leider plagte ihn eine Verletzung, die zu einer achtmonatigen Zwangspause führte. Sein Comeback Im Prix de Bourgogne war stark, er meisterte einen anspruchsvollen Rennverlauf und endete als Fünfter dichtauf. Im „Belgique“ sollte seine große Stunde schlagen, doch er war nervös und eine lange Startverzögerung war sicher keine Hilfe. Der Rennverlauf, den ihm Franck Nivard dann servierte, war viel zu hart, spätestens nach der Galoppade hätte er einen Gang zurückschalten sollen. Die logische Folge: Gu d´Héripré endete entkräftet und abgeschlagen. Wie steht es danach um ihn? Das ist für uns nicht zu beantworten. Theoretisch kann er gewinnen, aber die Vorbereitung auf das große Highlight lief alles andere als optimal.

Feydeau Seven gehörte vor ein paar Wochen noch nicht zur Elite des Trabrennsports und allein die Tatsache, dass er nun im Prix d´Amérique antritt, hätte die meisten wohl verwundert. Nach dem Triumph im Prix de Belgique ist er plötzlich mittendrin, wenn Traberfans sich die Frage stellen, wie wohl der nächste Prix d´Amérique-Sieger heißen wird. Es muss erwähnt werden, dass Feydeau Seven von dem Fehler seines Stallgefährten Davidson du Pont profitierte – den hätte er im „Belgique“ nicht geschlagen. Aber die Wahl des Trainers muss ernstgenommen werden, innerhalb weniger Wochen hat Jean-Michel Bazire seinen Feydeau Seven von einem guten in einen Weltklassetraber verwandelt – eine weitere Steigerung ist den beiden zuzutrauen!

Délia du Pommereux tritt zum vierten Mal im Prix d´Amérique an. Bei den Versuchen eins und zwei noch als Geheimtipp gehandelt, stieg sie im letzten Jahr zum Kreis der Favoriten auf. Mit Platz Vier enttäuschte sie keineswegs, zumal ihr wenig später ein denkwürdiges Kunststück gelang: Auf der Linie „verhaftete“ sie den großen Favoriten Face Time Bourbon im Prix de France – das war der größte Triumph ihrer Laufbahn! Drei Monate später schnappte sie sich das Paralympiatravet in Aby und nochmal einen Monat drauf einen zweiten Platz im Kymi Grand Prix in Finnland. Was dabei auffällt: Ihre größten Erfolge feiert sie über die Sprintdistanz! Und: Sie ist aktuell völlig außer Form. Bei sechs Starts, die sie nach einer üblichen Auszeit absolvierte, war kein Ansatz zu sehen, der sie für den Sieg im Prix d´Amérique 2022 qualifiziert – eine Platzierung unter den ersten Fünfen ist im Bereich des Möglichen.

Hohneck ist gerade fünfjährig und somit der jüngste Starter im Prix d´Amérique 2022. Das Ticket sicherte er im Critérium Continental, als er gleichaltrige Pferde leicht auf die Plätze verwies. Seinen Zwischenstopp am 15. Januar gewann er hochüberlegen, ebenfalls in seiner Kategorie. Er ist hochtalentiert und läuft in Topform, aber ist er schon so weit, dass er sich mit den älteren Stars messen kann? Einerseits haben wir Bedenken, er stößt definitiv in eine ganz neue Klasse vor. Andererseits erscheint der diesjährige Prix d´Amérique leichter als die Jahre zuvor – wir glauben, er kann vorne mitmischen; einen Sieg im bedeutendsten Trabrennen der Welt trauen wir ihm aber (noch) nicht zu.

Cockstile gewann 2020 den Elitloppet, welches das größte Rennen des Jahres auf schwedischen Rennbahnen ist. Das mit ihm auch im Prix d´Amérique zu rechnen ist, bewies der Norweger zu Jahresbeginn, als er den Prix de Bourgogne auf seine Fahne heftete. Für ihn gilt das gleiche wie für Délia du Pommereux: Die großen Stärken liegen auf kürzeren Strecken! Das ist auch der Grund, warum wir ihm nur Platzchancen einräumen, die lange Strecke auf der großen Bahn von Vincennes ist ein anderer Schnack.

Galius ist unser Geheimtipp! Gerade sechsjährig steht er vor dem absoluten Highlight seiner jungen Karriere. Den Fahrschein zum Prix d´Amérique löste er im Prix Ténor de Baune, als er nach der Galoppade von Ampia Mede SM freie Bahn hatte und souverän gewann. Galius ist Eisenhart und verdammt schnell! Trainer Séverine Raimond hat seinen Star behutsam aufgebaut: Bei 25 Auftritten lief er sechsmal „barfuß“. Für den Prix d´Amérique werden Galius die Eisen ein siebtes Mal abgenommen.

Vivid Wise As ist ein Weltklassesprinter! Je kürzer, desto besser. Die im Prix d´Amérique verlangten 2700 Meter sind daher für ihn alles andere als optimal; folgerichtig hatte er bereits im letzten Jahr dort wenig zu bestellen. Ein Erfolg von Vivid Wise As könnte die Trauer des italienischen Besitzers Antonio Somma ein wenig überschatten, denn er ist ebenfalls Besitzer von Face Time Bourbon. Ganz realistisch sollte aber schon eine gute Platzierung als Erfolg gewertet werden.

Mit Zacon Gio werden wir nicht mehr warm, zu enttäuschend verliefen alle Auftritte in Paris-Vincennes. Anfangs noch als möglicher Hauptkonkurrent von Face Time Bourbon gehandelt, spricht inzwischen niemand mehr über ihn. Der Sieger des Yonkers International 2019 und Face Time Bourbon-Bezwinger 2020 kommt einfach nicht in Schwung. „Er versteht noch nicht, wie es hier läuft“, sagte Jean-Michel Bazire vor ein paar Wochen. Doch auch läuferisch überzeugt er uns nicht, im „Belgique“ war er bereits vorm Schlussbogen in Nöten.

Flamme du Goutier hat einen Vorteil: Sie hat nichts zu verlieren! Die Krone setzte sie sich bereits vor einer Woche auf, und zwar im Prix de Cornulier. Nach fulminantem Schlussspurt schnappte sie sich das bedeutendste Trabreiten der Welt und versetzte ihr Team in endlose Freude. Nun greift sie im Prix d´Amérique an und ihre Chancen stehen gar nicht schlecht – dass sie auch „Sulky“ kann, hat sie mehrfach bewiesen! Erneut wird sie versuchen, den starken Endspurt aufzusparen und punktgenau einzusetzen. Gelingt ihr das, kann sie weit vorne landen.

Bahia Quesnot nimmt dieses Jahr die gleiche Route wie letztes. Das Hauptaugenmerk lag auf dem Prix de Cornulier, welchen sie 2021 gewann und vor einer Woche mit Platz Vier beendete. Chancenlos ist sie aber auch im Prix d´Amérique nicht, vor einem Jahr überraschte sie dort mit Platz Fünf. Da sie bereits elf Jahre alt ist, wird es ihre letzte Teilnahme sein. Junior Guelpa und sein Team werden alles in die Waagschale werfen, um erneut vorne mitzumischen – ein ähnliches Resultat wie 2021 ist drin!

Chica de Joudes ist Stammgast im Prix d´Amérique – dies ist bereits ihre dritte Teilnahme in Folge. Insbesondere 2020 konnte sie als Viertplatzierte überzeugen, doch die Königin aus dem Stall Alain Laurent ist nicht mehr die Alte. Ein magerer Sieg bei etlichen Versuchen lautet ihre Ausbeute der letzten zwei Jahre. Dazu muss man sagen, dass sie – eigentlich immer – aufwändige Rennverlaufe serviert bekommt. Und dennoch: Ihre Höchstform hat sie aktuell nicht zur Hand. Weglassen möchten wir sie dennoch nicht, ihre Klasse ist unbestritten und sie tritt für eine hohe Quote an.

Billie de Montfort kann es nicht lassen: Die reichste und zugleich älteste Teilnehmerin tritt zu ihrem fünften Prix d´Amérique an – besser als Platz Acht endete sie dabei bislang nicht. Ein ähnliches Resultat trauen wir der alten Dame erneut zu, vielleicht sogar mehr. Im Prix de Bourgogne überraschte sie als Ultra-Außenseiterin auf Rang Drei.

Vitruvio ist das große Fragezeichen! Zwischenzeitlich im Training von Jean-Michel Bazire, läuft er wieder unter Regie von Alessandro Gocciadoro – und Pferde aus seinem Training sind stets gefährlich. Wir haben uns die Generalprobe in Mailand angeschaut: Vitruvio übernahm im Gran Premio Ettore e Barbetta früh die Führung, wehrte einen Angriff ab und konnte danach schalten und walten, wie er wollte. Aus der Radfahrerlage attackierte ihn ein geschonter Außenseiter und lief in der Zielgeraden leicht vorbei. Es war Brillant Ferm, ein Pferd, dass häufig in Vincennes und Enghien zu Gast war, dabei aber nie überzeugte. Diese Vorstellung von Vitruvio reicht nicht, um im Prix d´Amérique eine prominente Rolle zu spielen.

Diable de Vauvert machte zuletzt von sich reden. Nach langer Durststrecke war er im Prix de Belgique wieder ganz der Alte. Ein feiner Endspurt sicherte Rang Zwei und die Fahrkarte für den Prix d´Amérique. Vielleicht hat Trainer Bertrand Le Beller diese Leistung nicht erwartet, denn als anvisiertes Rennen nannte er den Prix de Paris, als es um die nahe Zukunft des „Teufels“ ging. Böse wird er nicht sein, denn die Teilnahme am Prix d´Amérique stellt alles in den Schatten. Keine Frage, er tritt als Außenseiter an. Sein starkes Finish könnte aber ein gutes Platzgeld einsammeln.

Rebella Matters ist Pferd Nr. 4 aus dem Stall Bazire – Wahnsinn, was der Maître Jahr für Jahr vollbringt! Ihr Ticket ist längst im Sack, Platz Drei im „Bourbonnais“ reichten. Sie hatte also ab Mitte Dezember Zeit, sich auf den Prix d´Amérique vorzubereiten. Vom Team Bazire erwarten wir nichts anderes, als alle vier Starter am Sonntag in Topform zu präsentieren. Wofür ihre Topform reichen könnte, ist schwer zu sagen. Sie versteht sich blendend mit Fahrer Christophe Martens und kann mit einem verdeckten Rennen sehr schnell werden in der letzten Geraden – wir räumen ihr gute Außenseiterchancen für Platz Vier oder Fünf ein.

Power ist – wie im Vorjahr auch – der einzige schwedische Vertreter. Und genau wie im letzten Jahr, dürfte er auch dieses Jahr nichts zu melden haben. Seine Leistungen reichen in dieser Klasse nicht.

Unser Tipp: Davidson Du Pont (17) – Feydeau Seven (2) – Etonnant (9) – Gu d´Héripré (6) – Hohneck (4)


Acht Rennen zum Saisonauftakt mit ChampionatsehrungJanuar-Finale mit vielen deutschen Chancen

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